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KIRK II

 Kirk - Der "Kaiser" der Zyklone 


Im letzten Beitrag kam die berechtigte Frage auf, was "Kirk" nun am Ende in Deutschland sein wird? 
Wir haben bereits festgestellt, dass Kirk beim Auftreffen auf europäisches Festland nach offizieller Prognose kein tropisches Tief mehr sein wird. Das NHC bezeichnet solche Tiefs als posttropisches Tief oder auch subtropisches Tief - weil seine Eigenschaften von dem eines tropischen Tiefs abweichen. In der Vorhersage selbst unterscheiden sie aber nicht zwischen "PTC" ("potential tropical cyclone") also einem potentiellen tropischen Zyklon und einem posttropischen Zyklon oder Subtropischen Tief.
Wir müssen also selber ran und die Analysefeder schwingen und uns die Modellfelder genauer anschauen. Den gesamten Prozess erspare ich euch an dieser Stelle erstmal. Vielleicht irgendwann dazu ein paar mehr Einblicke, aber das würde den Rahmen sprengen. 

1. Die aktuelle Situation in der Analyse

Ich bediene mich im Folgenden einer sehr "einfachen" Luftmassenklassifikation (Polarluft, Tropikluft, maritime Kaltluft) je nach Ursprung der Luftmasse und ggf. Modifikationen. Defacto ist diese aber fachlich nicht zu 100 % richtig und stark vereinfacht. Für diesen Anwendungsfall reicht sie aber weitestgehend aus. 
 
Freie Ad-Hoc Analyse der Luftmasse im Bezug auf "Kirk" am Sonntagabend 18 UTC
(Bildquelle : Wetterzentrale.de (bearbeitet)
Wie sehen hier den Hurrikan Kirk in seiner typischen Umgebung der Tropikluft, außerdem einen breiten Bereich von maritimer Kaltluft (also durch den Atlantik modifizierte Kaltluft) und die Polarluft weit im Norden. Dazwischen habe ich einmal Luftmassengrenzen gezeigt, wo in etwa die Luftmasse sich signifikant ändert. weiß-blaulich zwischen Polarluft und maritimer Kaltluft und Rot zwischen Kaltluft und Tropikluft. 
Man sieht hier auch, dass sich Kirk bereits der Luftmassengrenze im Nordosten annähert, aber noch nicht in ihr eingebettet ist oder mit ihr interagiert. Nun einmal die Vorhersage für Dienstag also ca 2 Tage später...

Freie Ad-Hoc Analyse der Luftmasse im Bezug auf "Kirk" am Dienstag 15 UTC 
(Bildquelle : Wetterzentrale.de (bearbeitet)

Kirk ist jetzt im Bereich der Frontalzone (also den Übergangsbereich von warmer Subtropikluft und Kaltluft) - damit ist er kein Tropensturm mehr - nun ändert sich die Energiequelle des Sturms. Tropenstürme ziehen ihre Energie maßgeblich aus potentieller Energie des Wassers und hängen von den Oberflächentemperaturen des Wassers ab. Außertropische Tiefs und auch Subtropische Tiefs haben häufig auch eine dynamische Komponente zum Beispiel ganz-typisch eine "Trogvorderseite" in der Höhenkonfiguration, woher nur Kirk seine "Energie" bekommt. Wir sehen aber auch, dass es Kirk bereits schafft die warme Subtropikluft nach Norden zubewegen und gleichzeitig an seiner Nordflanke die maritime Kaltluft nach Südwesten führt. Allgemein wird der Bereich zwischen maritimer Kaltluft und warmer Subtropikluft in Folge dessen kleiner.
Wir haben hier also unsere ersten Fronten in Form von einer Kalt und Warmfront. Ein Blick in die Höhenkarten knapp einen Tag später, zeigt außerdem eine interessante Entwicklung. 
 
Analyse des Jetstreams über Ex-Kirk am Mittwoch 12 UTC
Bildquelle : polarwx.com (bearbeitet)

Rechter Eingang des Polarjets und Linker Ausgang des Subtropikjets überlagern sich im Bereich dessen, wo sich Kirk positionieren soll. Er bekommt sozusagen die doppelte "Hebungsdosing" eines normalen Tiefs, was zu einer Vertiefung führen kann. Er bringt uns außerdem auf eine besondere Form einer Zyklone. Das folgende Modell kennen Sie vermutlich und es beschreibt die typische Zyklone wie sie in unserem Breiten üblicherweise beobachtet wird.
Typische Form der Tiefdruckentwicklung in den mittleren Breiten auch bekannt als Norweger-Tief (Quelle)

Dabei sind Kaltfront und Warmfront im Bereich des Tiefs als verbunden und werden durch das Tief separiert.  Im weiteren Verlauf holt die Kaltfront irgendwann die langsamere Warmfront ein und okkludiert nachfolgend mit dieser. Der Kern des Tiefs ist dabei überwiegend von der kühleren Luftmasse beeinflusst. Auch wenn dieses Modell aus heutiger Sicht und Perspektive als überholt gilt und es mit der Cover-Belt-Theorie ein deutlich modernen Ansatz zur Erklärung der Fronten gibt, kann mit diesem Modell immer noch gut einsteigen.  
Kommen wir nun zum Sonderfall dem Shapiro-Keyser Model. 


SHK-Modell (Das Shapiro-Keyser-Modell ) Quelle
Damit kommt es erstmal nicht zu einer Okkludierung der Front und die Kaltfront bleibt vom Kern "abgesetzt". In diesem Fall kann die Warmluft einmal ums Tief in den Kern geführt werden, während die Kaltluft an der Südwestflanke verbleibt. Der Kern ist dabei typischerweise "warm". Wenden wir dieses Konzept auf Ex-Kirk am Donnerstag über Frankreich an, dann können wir diese Sonderform eigentlich ganz gut bestätigen. 

Das Konzept in Anwendung auf Kirk

Warum diese besondere Form einer Zyklone wichtig ist, thematisiert kurz das nächste Kapitel.... Eigentlich ist der Kaiser der Zyklone eher ein Skorpion - als ein Kaiser...

Die Besonderheit von Shapiro-Keyser-Zyklone - der Sting Jet

Der Sting-Jet ist eine Besonderheit für den Shapiro-Keyser-Zyklon. Der Sting-Jet beschreibt sehr vereinfacht gesagt einen Bereich am "Kopf" der Warmfront, dort wo Kaltfront und Warmfront getrennt voneinander sind. Dieser Bereich ist meistens überwiegend durch trockenere Luft gekennzeichnet. Dort treten typischerweise die höchsten Windgeschwindigkeiten auf, teilweise deutlich höhere als durch den Druckgradienten verursacht werden würde, weil eben auch noch Abkühlung durch Verdunstungsprozesse hinzukommen oder auch der Höhenwind effektiv heruntergemischt wird. Ein ähnliches Beispiel (nur im deutlich kleineren Maßstab) kennt man von Gewittern, wenn die Wolkenbasis relativ hoch ist und die Schicht darunter ziemlich trocken. 
Dennoch bildet nicht jeder SK-Zyklon einen Sting Jet aus, der auch am Boden gemessen wird und gleichzeitig ist der Sting-Jet ein Phänomen, was nur wenige Stunden beobachtet werden kann. Dies dürfte also eine prognostische Herausforderung hinsichtlich Timing werden.
Nachfolgend ein simuliertes Wasserdampfbild, woraus man trockene und feuchte Bereiche gut erkennen kann.
Das simulierte Wasserdampfbild für Donnerstag 9 Uhr UTC- der Kopf der Warmfront ist hierbei gut von der trockeneren Luftmasse (je schwärzer desto trockener) zuerkennen (ECMWF)


Der Sting-Jet würde man dann am typischen simulierten Wasserdampfbild am weißen Kopf der Warmfront suchen. Dort wo in diesem Fall auch die Böen am Höchsten simuliert werden. 
Böen (letzte 6 Stunden) und Bodendruck für 6 Uhr UTC am Donnerstag

Selbst wenn ein Sting-Jet ausbleiben sollte, dürften die Böen in einer breiten Fläche am Südrand des Tiefs zwischen 70 und 90 km/h liegen. Letzte Berechnungen des Modelle liegen immer in dieser Preisklasse, aber teilweise auch deutlich drüber. Hierbei sollten die kommenden Tage immer ein Auge auf Warnungen des DWDs gerichtet sein. Ob Kaiser oder nicht, stürmisch wird es auf jeden Fall. Die Frage am Ende ist und bleibt, wo, wann und wenn ja wie stark?

Euer Wetterfuchs 🦊


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