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Nebel - unscheinbar, aber komplex

 Nebel – Unscheinbar, aber komplex



Viele aus der Meteorologie-Community oder meteorologisch interessierte Menschen fokussieren sich gerne auf ihre Lieblingswettererscheinungen. Meine Leidenschaft beschränkt sich aber nicht auf mein Lieblingswetter, sondern umfasst quasi die gänzliche Fülle der meteorologisch-synoptischen Wettererscheinungen. Vom Jahrhundertsturm bis zur Raureifbildung auf Straßen entdecke ich immer wieder neue, interessante Themen für Vorhersagen und Beobachtungen. Denn auch in unscheinbaren und auf dem ersten Blick simplen Wettererscheinungen können sich Geheimnisse vor unseren Augen verbergen, welche eine Vorhersage auch ungewisser machen können. In dieser fortlaufenden Reihe möchte ich heute den Blick auf den "Nebel" richten.
Quasi jeder von uns kennt Nebelschwaden oder das Dauergrau im Winter, wenn der "Hochnebel" einfach nicht verschwinden will, obwohl doch im Wetterbericht irgendwas von Nebelauflösung steht.

Definition
Nebel in einem Tal im Hessischen Bergland zum Sonnenaufgang

Nebel ist eine Ansammlung von vielen, kleine Wassertröpfchen, die in der Luft schweben. Per Definition sprechen wir in der Meteorologie von "Nebel", wenn die (meteorologische) Sichtweite 1 km unterschreitet und gleichzeitig die Luftfeuchtigkeit nahe oder gleich 100 % beträgt. Die große Anzahl an Wassertröpfchen führt zu einer starken Sichtreduktion, welche manchmal schon vor der eigentlichen Nebelbildung (je nach Luftmasse) beobachtet werden kann. Es gibt verschiedene Nebelarten (und Unterarten), die alle durch verschiedene Prozesse entstehen können. 

In der ersten Reihe zum Thema "Nebel" und in diesem Beitrag schauen wir uns zunächst einmal den "Strahlungsnebel" an. Der Strahlungsnebel gehört zum Typ des Abkühlungsnebels und stellt innerhalb von diesem eine eigene Art dar. Diese Nebelart entsteht durch die (langwellige) Ausstrahlung des Erdbodens, auch Wärmestrahlung genannt. Dadurch kühlt die bodennahen Luftschicht ab und es kann sich Nebel bilden. Um diese Art besser zu verstehen, bauen wir uns eine Modellwelt, um die Entwicklung des Strahlungsnebels zu verfolgen. Mit "Willi" unserem angehenden Wetterbeobachter haben wir zudem einen fähigen und großen Beobachter. Er wird uns für unser Experiment unter die Arme greifen.

Bildung von Strahlungsnebel
Unser Grundzustand 0 


In unserer Modellwelt starten wir mit Zustand "0" in der Nacht. Es ist sternenklar und windstill. Willi meldet uns per Telefon, dass er noch nichts sieht, aber es deutlich abgekühlt ist. Bodennah nähert sich die Temperatur bereits dem Taupunkt an. Der Taupunkt ist ein Maß für die Luftfeuchtigkeit. Er zeigt uns die Lufttemperatur an, bei der unser Luftpaket gesättigt ist und die relative Luftfeuchtigkeit 100 % erreicht.

Zustand 1  Der flache Bodennebel als Schwaden oder Bänke


Nach einiger Zeit klingelt das Telefon und Willi ist wieder am Apparat. Er sieht die ersten flachen Bodennebelschwaden in seiner Nähe herumwabern und meldet daher die ersten Schwaden oder Bänke von Nebel. Hierbei sieht ihr das typische Symbol auf einer Wetterkarte (die sogenannte "Synopmeldung") mit der Erläuterung dazu.
Die bodennahen Temperaturen (gemessen in 5 cm) sind inzwischen unter dem Taupunkt (gemessen in 2 m) gefallen. Es bilden sich nun die ersten Schwaden, die aber wenig Einfluss haben und uns erstmal nicht stören. Übrigens kann uns nur Willi als menschlicher Beobachter diese Beobachtung weiterleiten. Die meisten automatischen Stationen können auf einer fixen Höhe und Position keine Bodennebelschwaden in diesem Sinne melden, da sich der Nebel unterhalb der Messsensorik befindet.

Zustand 2  Die geschlossene Nebenschicht



Während die Nacht weiter voranschreitet, meldet sich Willi ein weiteres Mal. Inzwischen sind die Nebelschwaden zu einer zusammenhängenden Nebelschicht angewachsen, die unterhalb von 2 m unter Willi entlang wabert. Selbst in 2 m Höhe nähern sich nun Temperatur und Taupunkt an. Die Sichtweite ist zwar noch überwiegend gut, kann aber etwas dunstiger erscheinen, denn die Feuchtigkeit sammelt sich an.
Automatische Stationen können bei diesem Szenario häufig auch "nach Nebel oder Nebel in der letzten Stunde" melden. In automatischen Flughafenbeobachtungen (sogenannte METARs) werden dann häufig "BCFG" oder "BR" gemeldet. Ersteres sind die einzelnen Schwaden "BC" von Nebel "FG", letzteres "BR" ist der feuchte Dunst. Dabei sind die Grundsichten (also die überwiegend gemessen werden) meistens noch gut, während die Minimumsichten im Nebelbereich unter 1 km oder (Stark-) Dunstbereich unter 5 km liegen. Ursache dafür ist die unterschiedliche "Höhenausdehnung" der Nebelfelder, die dann auch in einer ungeraden Oberkante resultieren.

Zustand 3  Nebel mit Himmelssicht



Nun erhalten wir von Willi die erste "echte" Nebelmeldung. Unser große Willi ragt zwar mit seiner Nasenspitze aus dem Nebel heraus und der Baum ist noch zu erkennen, aber in 2 m-Höhe ist nun die Sichtweite vollständig eingebrochen. Immerhin kann er in einer Höhe von 2 m noch den Sternenhimmel erkennen. Taupunkt und Temperatur sind inzwischen gleich und die Sichtweite beträgt durchgehend unter 1 km.

Hinweis an dieser Stelle: Nebel ist häufig kein gleiches (also homogenes) Feld, sondern kann ziemlich komplexe, unterschiedliche (heterogene) Strukturen annehmen. Die ersten Anzeichen haben wir bereits bei der Obergrenze des Nebels beobachten können! Das allgemeine Verhalten von Nebel ist keineswegs statisch und ähnelt eher dem Verhalten einer wellenden Flüssigkeit. Auch die Dichte des Nebels, also wie stark die Sichtweite reduziert wird, unterliegt stärkeren Schwankungen. In diesem Feld könnte unserer Beobachter auch zeitweise nochmal auf "Nebelschwaden" zurückgreifen, wenn die Sichtweite doch noch zwischenzeitlich besser wird.

Zustand 4  Nebel ohne Himmelssicht (ggfs. mit Bewölkung)

Mit dem letzten Zustand haben wir quasi den "Worst-Case-Zustand" erreicht. Willi sieht nun nicht mehr den Himmel und die Sterne. Typischerweise sind die Sichtweiten häufig unter 500 m gefallen und es wird an automatischen Stationen Bewölkung mit wenigen Metern oder wenigen 100 ft als Untergrenze gemeldet. Bis zum Sonnenaufgang wächst dieser Nebel dann durch weitere Abkühlung des Bodens zögerlich an. Im Winter bleibt er tagsüber häufig als bekannte "Hochnebeldecke" vorhanden. 

Wie ihr gesehen habt, kann der Prozess des Strahlungsnebels sehr lange dauern und dabei relativ komplexe Strukturen ausbilden, obwohl alles mit unscheinbaren Nebelschwaden beginnt. 

Im nächsten Blogartikel werden wir uns mit der nächsten Nebelunterart beschäftigen. Also bleibt gespannt und genießt den Einstieg in den Frühling.
Euer Wetter-🦊







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